In der Sache J. Robert Oppenheimer
Schauspiel von Heinar Kipphardt (1922-1982, BRD). Paradebeispiel für das so genannte Dokumentarische Drama. Erstaufführung 1964, überarbeitet 1977. Oppenheimer, Leiter des Atombombenprogramms der USA, befindet sich 1954 vor einem Untersuchungsausschuss. Man untersucht aber nicht seine Rolle beim Bau und Abwurf der Atombombe, sondern prüft seine Loyalität gegenüber seinen Arbeitgebern, den Militärs. Vor diesem wahren historischen Hintergrund entfalten sich eine Reihe von Fragen, die noch heute aktueller nicht sein könnten: Trägt der Wissenschaftler eine Verantwortung für sein Tun? Stehen nationale Interessen über denen der gesamten Menschheit? Wohin führt eine ungezügelte Forschung? Wer ist «schuld», wenn ihr etwas «daneben geht»? Am Beispiel Oppenheimers zeigt Kipphardt den Riss, der den skrupellosen Wissenschaftler vom verantwortungsbewussten Menschen und Bürger trennt. Oppenheimer ist hin- und hergerissen zwischen seiner Loyalität zu seiner Regierung und den Gewissensbissen gegenüber der Menschheit, zwischen seiner Faszination an der Kernphysik und den Skrupeln vor ihren Gefahren, zwischen seiner Tätigkeit in geheimen militärischen Projekten und seiner demokratischen Gesinnung.
In seinem rund 150 Seiten umfassenden Stück stützt sich Kipphardt auf authentisches Quellenmaterial; dass es sich um einen Prozess handelt, der tatsächlich stattgefunden hat, macht die heiklen Fragen nur umso drängender. Die 9 Szenen geben 9 Prozesstage wieder; das Schauspiel ist auffallend klar strukturiert, ein Thema folgt dem anderen, Anklage und Verteidigung sind scheinbar ausgewogen. Dabei liegt die Spannung weniger auf dem Urteil, das über Oppenheimer gefällt wird, als auf der Frage nach der moralischen Verantwortung der Wissenschaft, der Politik und der Armee für das, was sie tun.
«In der Sache J. Robert Oppenheimer» ist thematisch verwandt mit Bertolt Brechts Stück «Leben des Galilei» und mit Friedrich Dürrenmatts «Die Physiker».
Quelle: Frey, Pascal (Hg.), «Was lesen?, Ein Lexikon zur deutschen Literatur», 2003, Bern
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