Montag

Der Montag ist für gewöhnlich nicht der Lieblingstag des hart arbeitenden Bürgers. Trotzdem habe ich mich dazu entschlossen,  meinen typischen Montag dem neugierigen Leser zu beschreiben.

In mittlerer Frühe öffne ich meine Augen, wenn das mitreissende Intro von Doctor Who von meinem Handy erschallt. Mein erster Gedanke dreht sich meistens um mein Morgenessen: Porridge mit Honig und Schwarztee, also, der Porridge steht deutlich im Vordergrund. Das Badezimmer ist nun wärmer, da ich, alte Rebellin, das Fenster gegen den Willen meiner WG-Mitbewohnerin, welche aus Angst vor Schimmel das Fenster nicht schliessen möchten, nie, zugemacht. Um das schlechte Gewissen zu bekämpfen, leere ich dafür immer den Luftentfeuchter und ich muss sagen, bis jetzt hatte ich noch keine schlaflose Nacht deswegen erlitten. Da es einen strikten Dresscode gibt, ist das Anziehen eigentlich ziemlich anspruchslos. Ein Rock bis zu oder besser über die Knie. Von denen besitze ich zwei, also relativ einfach, man wechselt ab, um beiden Röcken ihre Chance zu geben. Wenn ich dann in die Küche komme, ist der Tee schon nicht mehr kochend heiss, da ich ihn vor der Dusche vorbereitet habe. Hier würde ich sagen, wäre es angebracht, meine Planungsfähigkeit ein wenig zu bewundern. Der Porridge mit Honig bleibt eine Götterspeise, jeden Morgen, jeden.

Auf meinem Schulweg, der meistens einen Tick zu spät gestartet wird, treffe ich immer die gleiche Katze. Wir duzen uns inzwischen. An guten Tagen ist es mir sogar erlaubt, das pechschwarze Köpfchen ein wenig zu streicheln. Dann geht es mit zackigem Schritt in die Kathedrale, wo ich inzwischen einen Stammplatz habe, ein Stehplatz, da ich zu keinem Haus gehöre, aber einen guten, mit Sicht auf die Kanzel. So muss es sich angefühlt haben, als jeder einen Blick auf den berühmten Zwingli erhaschen wollte und die Kirche zum Bersten voll war. Du merkst, verehrter Leser (wenn wir uns jetzt auch duzen dürfen), dass in solch historischen Gebäuden meine Freude an Geschichte mit mir durchgeht. Während des zwanzigminütigen Gottesdienstes hält der Rektor eine motivierende, aber gleichzeitig ermahnende Rede. Gewisse Schüler werden dann ausgezeichnet für eine besonders gute Leistung, von der ich meistens nicht verstehe, worin sie besteht. Der Pfarrer spricht darauf ein Gebet und dann singen wir ein Lied. Beim Lied frage ich mich immer, ob die Lehrer das ganze Gesangbüchlein auswendig können, was an ihrem Fleiss oder der Jahreszahl, die sie schon an der Schule verbracht haben, liegt oder ob sie einfach alle total gut singen können. Frustrierenderweise tippe ich auf Nummer zwei. Von einem dramatischen Orgellied werden wir dann hinaus begleitet.

Meine erste Stunde beginnt, in der ich den Schüler auf den mündlichen Teil seiner Matura vorbereite. Danach begebe ich mich direkt ins Lehrerzimmer, wo warmer Toast mit Butter und für die ganz britischen unter euch Marmite bereitliegen. Hier wären ein paar Worte der Warnung angebracht: Marmite schmeckt so etwa wie flüssige Maggi Würfel. Sogar die Werbung besagt „either you like it or you hate it“, was wahrscheinlich stimmt. Ich poste hier den Link zum Werbespot für meinen interessierten Leser. An seltenen Tagen gibt es auch Schokoladekekse, auf die sich die Lehrer wie hungrige Wölfe stürzen. Sollte es nur noch die gewöhnlichen Kekse geben, liest man aus dem Blick des in die Keksbox Schauenden pure Enttäuschung und Trauer. Ich bleibe meistens im Lehrerzimmer sitzen bis zum Mittagessen und bereite meine Stunden vor oder schwäche meine Nerven, indem ich versuche, etwas zu kopieren oder auszudrucken.

Sollten die Nerven geschwächt worden sein, werden sie spätestens beim Mittagessen wieder gestärkt. Es beginnt bereits mit einem Triumph, da es den Lehrern erlaubt ist, die endlose Schlange der Schüler zu überspringen. Sie verdienen meinen grössten Respekt, ich könnte nie, ich betone, nie, so lange auf mein Essen warten. Es wäre auch sehr unsicher für mein Umfeld, mich so lange warten zu lassen. Das Angebot ist wahnsinnig. Zugegebenermassen gewöhnt man sich daran und beginnt sich auf die Qualität zu konzentrieren, welche nicht in jedem Fall hinreissend ist. Aber über die Mensa möchte ich mich trotzdem überhaupt nicht beschweren, das Mittagessen ist für mich und wie mir zu Ohren gekommen ist auch für viele andere Lehrer ein Highlight des Tages. Zu einer negativen Beeinträchtigung kann es kommen, wenn jemand versucht, mit mir zu sprechen, während ich am Essen bin und lieber meine ganze Aufmerksamkeit auf dieses richten würde, eine Aufmerksamkeit, welche mein Essen verdient. Heimtückisch stellen einem solche Menschen Fragen, welche sich als Konversation tarnen, jedoch keine sind. Während man sich nämlich bemüht solche Fragen zu beantworten, verzehren sie genüsslich ihre Speisen und kaum hat man die Antwort beendet, stellen sie mit ein paar wenigen Worten eine nächste Frage, die einen zwingt, sie weiter zu unterhalten. Wie gesagt, heimtückisch. Es empfiehlt sich deshalb, seinen Platz mit Vorsicht auszusuchen.

Nach dem Mittagessen habe ich noch zwei Schulstunden und begebe mich dann auch schon wieder nach Hause, wo wahrscheinlich die erste Tätigkeit darin besteht, den Kettle anzuschalten. Ja, so britisch steht es bereits um mich.