The Broads

Es war ein ereignisreiches Wochenende. Ich werde aber nicht zu lange beim Samstag verweilen, da der Tag kurz und knapp zusammengefasst werden kann.

Ich habe den Eindruck gehabt, Great Yarmouth sei die Touristenattraktion der Umgebung, einer der atemberaubendsten Strände und ich könnte schwören, die Leute hätten mir das gesagt. Wie es aber so geht, haben die Leute, kaum hat man alles geplant, dann doch eine andere Meinung. Schon bevor wir (ich und ein paar andere language assistants) dann wirklich gegangen sind, haben alle, denen ich von meinen grossartigen Plänen erzählt habe, ein bisschen die Nase gerümpft und Dinge gemurmelt, wie „ja, einmal muss man es ja gesehen haben“. Der Tag war aber schon geplant, es gab also kein Zurück mehr. So schlimm kann es ja nicht werden, habe ich mir gedacht, da die Bilder im Internet echt schön aussahen. Nun ja, so schlimm war es ja dann auch gar nicht, aber definitiv eine Enttäuschung: Dreckiger Strand, keine schönen Gebäude und auch sonst nichts Rares. Ich bin schon fast der Meinung, dass der Satz, man müsse es gesehen haben, der Stadt und dem Strand zu viel zugute hält. Man muss es eben nicht gesehen haben.

Zwei kleine Highlights möchte ich jedoch trotzdem anführen: Der alte Friedhof wäre ein Paradies für jeden anständigen Goth. Und für die Literaturfans unter uns: Die Autorin von „Black Beauty“ (ja, man könnte meinen, das habe auch etwas mit gothic zu tun, es geht aber um Pferde) ist in Great Yarmouth aufgewachsen. Ihr Haus ist zu einem süssen Tea Shop umgewandelt worden (leider konnte niemand für einen kurzen Besuch überredet werden). Das war aber schon alles.

Nun zum Sonntag. Das Ganze hat recht gut begonnen und zwar mit einem üppigen englischen Frühstück, so wie es sich für einen Sonntag gehört. Auf dem Weg vom Pub zum Bahnhof hat sich die Gruppe halbiert. Die Aussicht auf eine Wanderung hat dann doch nicht alle gleich angesprochen. In Wroxham haben wir uns sofort  bei der Tourist Information erkundigt, wo es denn hier schöne ‚Hikes‘ gebe. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle die relativ wichtige Information anfügen, dass Wroxham mitten im mit Seen und Flüssen durchsäten Naturreservat ‚The Broads‘ liegt und es ja deshalb nicht so fern liegt, da eine Wanderung machen zu wollen. Anscheinend tut es das aber doch, denn unsere Frage kam für die überrumpelten Angestellten des Reisebüros völlig unerwartet. Sie haben sich aber dann doch gefasst und uns eine idyllische Wanderung vorgeschlagen, bei der man dann am Ende an einen Fluss käme. Er wisse aber nicht, ob man dort dann auch entlang laufen könne, weil der Weg vielleicht zugewachsen sei. Wie  bitte? Das klingt ja nicht gerade vertrauenswürdig. Trotzdem haben wir uns frohen Mutes aufgemacht. Das war im Nachhinein gesehen vielleicht eine weniger kluge Entscheidung. Der idyllische Weg hat uns während 90 Minuten an den Schienen entlang zum nächsten Ort geführt. Fairerweise sollte man anfügen, dass die Schienen nur für eine kleine Dampflocke waren. Das heisst, es war nicht total hässlich, aber langweilig, sehr langweilig. Links und rechts nur Hecken. Ein interessantes Phänomen gab es aber doch: Jedes Mal wenn wir entgegenkommende Wanderer nach der Zeit bis zu unserem Zielort fragten, hiess es, es ginge noch 10 Minuten. Immerhin sind wir also ein bisschen in der Zeit gereist: Etwa vier Mal 10 Minuten zurück.

Weil wir uns, denselben Weg zurückzulaufen, nicht mehr zumuten konnten, haben wir die Dampflokomotive genommen. Das Über-die-Geleise-Rattern, der Duft des Rauchs und das gemütliche Tempo haben zum nostalgischen Erlebnis beigetragen. Es war nett, wird mich aber nicht dazu bewegen können,   die nächste Gelegenheit, mich in eine Dampflokomotive zu knallen, zu ergreifen. Der Tag war darum bis dahin mittel erfolgreich. Der Wille, dies zu ändern, war aber noch vorhanden gewesen: Eine Bootstour. Das Gebiet sei ja auch eigentlich dafür bekannt (und nicht für seine Wanderwege!). In der wirklich allerletzten Minute haben wir es dann noch aufs Schiff geschafft und das war wahrscheinlich die beste Entscheidung, die wir an dem Tag getroffen haben. Die Tour durfte man nun mit gutem gewissen idyllisch nennen. Wobei, wenn ich so drüber nachdenke, das schreiende Kind vor uns und seine noch lauteren Eltern hätte man auf Standby schalten können. Otter haben wir leider keine gesehen, dafür eine Menge Reetdachhäuser. Die meisten haben statt eines Autoparkplatzes einen Schiffsparkplatz gehabt, was einem fast ein bisschen in eine andere Welt versetzt hat.

Ich darf, glaube ich, sagen, es war trotz allem ein toller Tag (das hätte ich den Girls, die zu faul zum Laufen waren, aber sowieso erzählt).

Great Yarmouth

Kirche und Friedhof, Great Yarmouth
Great Yarmouth
Great Yarmouth
Great Yarmouth
Great Yarmouth

The Broads

Viktorianisches Segelboot