Geburtstag

Nun, für gewisse Leute ist der Geburtstag ein Tag wie jeder andere, man hat schliesslich nicht viel leisten müssen, um geboren zu werden. Zu den Menschen mit einer solchen Haltung kann ich mich aber beim besten Willen nicht zählen, denn ich liebe Geburtstage. Es ist der Tag, an dem einen alle lieben müssen, ob sie wollen oder nicht. Der Tag, an dem man guten Gewissens ein paar Kuchenstücke verdrücken darf, sogar sollte, es handelt sich dabei um gesellschaftliche Konventionen.

Ein richtiger Geburtstag fängt schon am Vorabend an. Der Kuchen muss gebacken werden. Leider war niemand sensibel genug, meine subtilen Hinweise zu verstehen und mir einen zu backen. Eine Alternativversion, die mir sehr zusagt, ist, dass alle von meinen Backkünsten eingeschüchtert waren. Leider ist das eher unrealistisch, da meine beiden WG-Mitbewohnerinnen gerne backen und kochen, aber nun ja, man lebt ja gerne ein bisschen in seiner eigenen Welt und in dieser Welt, Sophies Welt, waren einfach alle eingeschüchtert.

Nun genau bei meinen Backkünsten aber nahm das Unheil seinen Lauf. Nachdem ich die Linzertorte, ein Prachtstück von einem Kuchen, zur richtigen Zeit aus dem Ofen genommen hatte, wog ich mich fälschlicherweise schon in Sicherheit, was konnte denn jetzt noch schief gehen? Nun, zum Beispiel könnte sie auseinanderbrechen beim Wegnehmen vom Blech. Nun, dürft ihr gerne einmal raten, was passiert ist! Ich werde das Rätsel nicht auflösen und das Szenario eurer Vorstellungskraft überlassen.

Es hätte Tage gegeben, da hätte ich mich ein paar heissen Tränen nicht erwehren können, aber in diesem Fall war die Situation einfach zu ironisch. Ärgerlich schnitt ich die völlig zerstörte Hälfte ab, dass wenigstens der Rest der Torte, nur halbwegs den Eindruck eines Schlachtfeldes machen würde. Tückisch schlich sich ein verderblicher Gedanke in meinen Kopf. Warum sollte ich mir den nicht ein Stück des zerstörten Drittels gönnen. Mitleidig schnitt ich mir ein Stück ab, wer würde das arme Ding den sonst essen? Nun auf das erste Stück folgte auch schon bald ein zweites. Nicht lange danach kam mir die Glanzidee, das ganze Drittel zu vertilgen, dann würde niemand je etwas von meinem Missgeschick erfahren. Keine Seele. Ich darf guten Gewissens behaupten, dass sie geschmacklich, vorherige Versuche wahrscheinlich sogar zu überragen vermochte.

Auf der anderen Seite hat mir noch nie eine Linzertorte so böswillig einen Strich durch die Rechnung gemacht. Mit voller Absicht hat sie sich in meinem Magen so richtig schwer gemacht und wollte für die ganze Nacht unvergesslich bleiben, was für ein Aufmerksamkeits-Defiz. Nur ein paar wenig Stunden Schlaf liess sie mir. Am Morgen schien die ganz Geschichte dann aber doch vergessen und vergeben zu sein. Dies liess sie mich zumindest glauben: Bis zum Mittag war mir so schwindlig und schlecht geworden, dass man mich zur Krankenschwester geschickt hat. Als sie mir erklärt hatte, dass ich den ganzen Tag im Bett bleiben müsse, sind dann doch ein paar Tränchen geflossen. Jetzt hat man ein Vierteljahrhundert tapfer hinter sich gebracht und wird schliesslich von einer Linzertorte besiegt.

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